Mouloud Mammeri – Algerischer Schriftsteller
Mouloud Mammeri (*28.12.1917 in Taourirt–Mimoun (Große Kabylei) – ✝25.2.1989 in Aïn–Defla bei einem Autounfall) ist ein algerischer Schriftsteller, gehört zu den Begründern der maghrebinischen Literatur französischer Sprache.
Er ist eine der Leitfiguren des kulturellen Algerien, an dessen Begräbnis zweihunderttausend Menschen teilnahmen. Ein Grund für diese Popularität ist sein Kampf für die Anerkennung der Berber-Kultur. Als er 1980 daran gehindert wurde, eine Vorlesung über die alte Lyrik der Berber an der Universität von Tizi-Ouzou zu halten, kam es zu einem eigentlichen Volksaufstand. Dieser Kampf führte allerdings nur zu vorübergehenden Erfolgen. Mit dem repressiven algerischen Sprachengesetz von diesem Jahr hat das Amazigh, die Sprache der Berber, wieder jede Anerkennung verloren.
Ein anderer Grund für Mammeris Beliebtheit liegt in seinen Romanen, insbesondere in der Trilogie, die verschiedene Phasen aus der kabylischen Geschichte thematisiert:Verlorener Hügel(1952),Le sommeil du juste(1953) und L’opium et le bâton(1965), aber auch im erst 1982 veröffentlichten Die Überfahrt.
Hier und da veröffentlichte Mammeri auch Erzählungen, die 1991 unter dem TitelEscalesgesammelt wurden. Nun liegen sie alsTreibsandauch auf Deutsch vor − in einer Übertragung, deren zahlreiche Mängel von sprachlichen Unzulänglichkeiten bis zu groben Übersetzungsfehlern reichen. Leider fehlen auch die Angaben zur Erstveröffentlichung: Obgleich diese Texte einen überzeitlichen Kern besitzen, so ist doch vieles nur aus dem jeweiligen historischen Zusammenhang zu verstehen.
Mammeris Stärke liegt eher in der grossen Form. Die Erzählungen sind zwar interessant, doch fehlt ihnen zuweilen die für die Kurzprosa notwendige Verdichtung. Einige Erzählungen tendieren auch zu sehr ins Essayistische.
Zum Teil begegnen uns die gleichen Themen wie in Mammeris Romanen, beispielsweise der ausDie Überfahrtbekannte Versuch der algerischen Behörden, die Nomaden zu „zivilisieren“ (Erinnerungen an Vorfahren, 1981/83). Reglementierung, behördliche Anordnungen und der anarchistische Widerstand dagegen sind Themen, die Mammeri immer wieder aufnimmt. Sei es eher auf der individuellen Ebene wie in „Der Namenlose aus den Arkaden und die Gesellschaftsordnung“ (1953), in der eine (französische) Madame Pillot einen namen- und familienlosen Jungen zu domestizieren versucht. Oder sei es in dem Sinne, dass die „Parteiführer“ bereits während des Unabhängigkeitsfestes 1962 das überschäumende Treiben ihrer Untertanen in geordnete Bahnen lenken (Die Meute, 1976).
InHibiskus(1985), einer sehr gelungenen Erzählung, nimmt die Reglementierung die Form eines „Versuchsgartens“ an, „jener Ansammlung von gefangenem Grün hinter geschmiedeten Eisengittern“. Er vermittelt etwas von der Atmosphäre in dem unter der Einparteiendiktatur darbenden Land. In ihm geschieht, was in Mammeris Erzählungen einen weiteren Schwerpunkt bildet: die Auseinandersetzung um den revolutionären Intellektuellen, sein politisches Engagement, die Suche nach dem Sinn seines Tuns. InLandeplätze(1989) geht es gar um die in Algerien wegen der Befreiungskriegserfahrung tabuisierte Frage, ob es einen gerechten Krieg geben könne. In der ErzählungWanderer zwischen Welten(1957), die François Bondy bereits 1962 in der AnthologieDas Sandkornveröffentlicht hat, versucht der Protagonist, ein angehender Dichter, die zwiespältige Annäherung an den Islam. Er findet keinen Halt und endet im Suizid. Eines der pessimistischen Enden einer Erzählung von Mammeri, für die er auch bei seinen Romanen kritisiert wurde.
Mouloud Mammeri:Treibsand. Kurzgeschichten. Aus dem Französischen von Andreas J. Guth. Verlag Donata Kinzelbach. Mainz, 1998
Inhaltsangabe zu „Die Überfahrt“ von Mouloud Mammeri:
Mourad hat um die Freiheit gekämpft. Er hat den Untergrund und die Haft kennengelernt. All dies nur, um nach 20 Jahren feststellen zu müssen, daß man nie an sein Ziel gelangt. Dies ist die Bilanz, die bittere, die Mourad schließlich ziehen muß. Selbst sein Beruf als Journalist – zunächst noch Berufung – entäuscht ihn zunehmend. Die sinnentstellende Zensur zu ertragen – bedeutet dies nicht, zentrale Ziele aufgegeben zu haben? Da erscheint ihm die Auswanderung als lächerliches Mittel, seinen Prinzipien nicht ganz untreu werden zu müssen. Mourad macht sich auf den Weg quer durch die Sahara: Seine letzte Reportage soll ihm all seine Fragen beantworten. Der Zauber der Wüste, die Freiheit der Tuareg . . . Seinen Weg durch die Wüste beendet er an einem Strand, in dessen Sand er noch nicht einmal für kurze Zeit Spuren hinterläßt . .
ISBN 124 Seiten, Euro 19.50 ,Roman aus dem Französischen von Andreas J. Guth Verlag Donata Kinzelbach